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Stellungnahme des Ethik-Rates zur Intersexualität
Ethik Rat wendet sich gegen binäre Geschlechtszuordnung
In einer aktuellen Stellungnahme des Ethikrates zur Intersexualität schlägt dieser vor, Intersexualität als eine dritte Kategorie im personenstandsregister anzuerkennen, Intersexuellen das Recht auf eine eingetragene Lebensgemeinschaft einzuräumen, Intersexuelle verstärkt zu unterstützen und operative Eingriffe im Kindesalter auf das medizinisch Notwendige zu beschränken und am Kindeswohl auszurichten.
Die Stellungnahme des Ethikrates zur Intersexualität ist als ein maßgeblicher Fortschritt auf dem Weg zu einer geschlechtliche Varianten anerkennenden Gesellschaft zu betrachten. Vor allem wird dies deutlich aus der eindeutigen Anerkennung der Intersexualität als einer Form der geschlechtlichen Entwicklung, die nach den Empfehlungen des Ethikrates nicht mehr zu vereinbaren ist mit dem Erfordernis einer binären Geschlechtszuweisung.
Der Vorschlag der Aufgabe der binären Geschlechtszuordnung aller Menschen als Mann oder Frau ist als mutig zu bewerten, auch wenn die Bezeichnung "Intersexuell" der nunmehr empfohlenen Bezeichnung "Anderes" vorzuziehen ist, zumal es sich hier die sich zunehmen durchsetzende Selbstbezeichnung handelt, die einen entsprechend hohen Akzeptanzgrad bei den betreffenden aufweist. Dessen ungeachtet, dürfte dem Vorschlag zur Einführung einer dritten Kategorie in das Personenstandsregister Schrittmacherfunktion zu kommen.
Weniger progressiv ist allerdings die Haltung des Ethikrates zum Recht von Interesexuellen auf eine staatlich anerkannte Partnerschaft:
Bisher ist die Ehe nur zwischen Mann und Frau, die eingetragene Lebenspartnerschaft zwischen Gleichgeschlechtlichen möglich. Anstatt nun vor dem Hintergrund der vorgeschlagenen Erweiterung des Personenstandsregisters nunmehr auch eine Erweiterung der Eherechtes zu fordern, soll Intersexuellen gemäß Mehrheitsbeschluss die Ehe verwehrt bleiben und es soll ihnen lediglich die mit zahlreichen Nachteilen im Vergleich zur Ehe ausgestattete Lebenspartnerschaft offen stehen. Hier wäre eine konsequentere und ähnlich revolutionäre Position wie die vorgeschlagene Veränderung des Personenstandes wünschenswert gewesen.
Anstatt Intersexuelle ebenso wie Homosexuelle gegenüber heterosexuellen Männern und Frauen weiter zu diskriminieren, sollte die Ehe ebenso wie die eingetragene Lebensgemeinschaft für alle Personenstände geöffnet und unabhängig von der geschlechtsbezogenen sexuellen Orientierung eingehbar sein.
Erfreulich sind vielfältige weitere Forderungen des Ethik-Rates zugunsten der Betreffenden, wie die Förderung von Selbsthilfegruppen, die Verbesserung der medizinischen und psychosozialen Versorgung oder die Einsetzung eines Ombudsmannes.
Zu unbestimmt bleibt die Stellungnahme des Ethikrates allerdings bei der Frage eines möglichen Verbotes früher operativer Eingriffe im Kindesalter zur Beseitigung des uneindeutigen äußeren Geschlechts, die von Betroffenen teilweise als Genitalverstümmelung bezeichnet werden:
Der Ethikrat stimmt mit den Kritikern solcher Eingriffe überein, dass irreversible medizinische Maßnahmen zur Geschlechtszuordnung bei Betroffenen, deren Geschlechtszugehörigkeit nicht eindeutig sei, einen Eingriff in das Recht auf körperliche Unversehrtheit, Wahrung der geschlechtlichen und sexuellen Identität und das Recht auf eine offene Zukunft und oft auch in das Recht auf Fortpflanzungsfreiheit darstelle, wozu die Entscheidung höchstpersönlich und daher grundsätzlich von den entscheidungsfähigen Betroffenen selbst getroffen werden müsse.
Eingeschränkt wird aber, dass solche Maßnahmen nach umfassender Abwägung aller Vor- und Nachteile doch bei noch nicht entscheidungsfähigen Personen stattfinden dürften, wenn sie aufgrund unabweisbarer Gründe für das Kindeswohl erforderlich seien. Benannt wird als Legitimation eine erforderlichen Abwendung einer konkreten schwerwiegenden Gefahr für die physische Gesundheit oder das Leben der Betroffenen, jedoch erfolgt keine Beschränkung auf diesen unumstrittenen Fall, sondern es wird durch den Ethikrat die Tür offen gelassen für andere, auch psychische Aspekte des Kindeswohls. Damit wird aber verkannt, dass psychische Beeinträchtigungen im Kindesalter nur dann zu erwarten sind, wenn diskriminierende Strukturen vorliegen, zu deren Aufrechterhaltung wiederum die Durchführung solcher Operationen im Kindesalter, die letztlich schließlich eine Anormalität implizieren, durchaus gesellschaftlich beitragen mag.
Gerade bei Berücksichtigung der wertvollen Aufklärungs- und Bewertungsarbeit, die der Ethikrat in seiner Stellungnahme geleistet hat, ist die nicht hinreichend gegebene Einschränkung der Legitimation von operativen Maßnahmen zur Beseitigung äußerer intersexueller Merkmaler auf Situationen der medizinischen Behandlungsbedürftigkeit zur Beseitigung oder Verminderung körperlicher Schäden bedauerlich.
Die Defizite in der Stellungnahme des Ethik-Rates machen diese nicht wertlos, deutlich wird aber dennoch, dass noch ein weiter Weg bis zur gesellschaftlichen Anerkennung und Gleichstellung intersexueller Menschen zurückzulegen ist, eine Anerkennung, die neben dem Recht auf Ehe auch das Recht intersexueller Menschen einschließen muss, ausschließlich selbst - und damit im entscheidungsfähigen Alter - über nicht aus gesundheitlichen Gründen erforderliche operative Eingriffe entscheiden zu dürfen.