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Ethikrat fordert Aufhebung des Inzest-Verbots zwischen Geschwistern

Ihre Anzahl ist gering, aber Geschwister-Paare, die einander als Partner lieben, sehen sich massiven strafrechtlichen Druck ausgesetzt, der in Einzelfällen bereits zu mehrjährigen Gefängnisstrafen führte. Das Verbot der Liebe zwischen Geschwistern erzeugt für diese nicht selten ein Klima der Denunziation und Erpressung. Oft brechen die Paare unter dem Druck, der auf ihnen lastet, zusammen. Die Betroffenen sehen sich einer Fremdkontrolle über ihren Körper und ihre partnerschaftlich-sexuellen Beziehungen ausgesetzt, die ihnen das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung nimmt.

 

Kurioserweise ist dabei in der Bundesrepublik Deutschland nur der vaginale Verkehr zwischen Geschwistern strafbar, während Analverkehr, Oralverkehr, sowie alle anderen Sexualpraktiken legal sind.

 

Begründet wird das Inzestverbot mit dem notwendigen Schutz der Familie, mit der Prävention der Geburt behinderter Kinder sowie mit dem Recht der Gesellschaft, Tabus aufzustellen und deren Einhaltung durchzusetzen. Das Inzestverbot nimmt zudem für sich skurilerweise in Anspruch, das sexuelle Selbstbestimmungsrecht zu schützen, indem es die Selbstbestimmung erwachsener Menschen bei der Auswahl ihrer Sexualpartner und Sexualpraktiken reglementiert.

 

Keinen Zusammenhang weist das Inzestverbot zu sexuellem Missbrauch von Kindern, Nötigung, Vergewaltigung und Ausnutzung einer Zwangslage aus, da diese – völlig unabhängig vom Inzest – strafbar sind.

 

Das Inzestverbot ist übrigens keineswegs ein Ausdruck eines allgemeinen menschlichen Rechtsverständnisses. So beinhalten die strafrechtlichen Normen zahlreicher Länder kein Inzestverbot, unter ihnen befinden sich beispielsweise Frankreich, Belgien, Niederlanden, Luxemburg, Portugal, Russland, Spanien, die Elfenbeinküste, die Türkei,  China, Japan, Südkorea, Argentinien und Brasilien. Andere Staaten haben ein noch weitergehendes Inzestverbot als die Bundesrepublik Deutschland, indem auch in Deutschland strafloser Oral- und Analverkehr zwischen Geschwistern, einschließlich gleichgeschlechtlicher sexueller Beziehungen, sanktioniert werden.

 

Es ist dem deutschen Ethikrat zu danken, dass er sich mit dem Inzest-Verbot umfassend auseinandersetzte und mehrheitlich zu der Einschätzung gelangte, dass das Verbot der Liebe zwischen erwachsenen Geschwistern aufzuheben sei. In einer ausführlichen Stellungnahme werden die tiefgreifenden Belastungen, denen sich sexuell und partnerschaftlich liebende Geschwister ausgesetzt sind, plastisch dargelegt. Die Argumente für das Inzestverbot werden kritisch hinterfragt, wobei u.a. aufgezeigt wird, dass

 

-   eugenische Begründungen moralisch unhaltbar und zudem inkonsistent sind, da es gegenüber anderen Personengruppen mit erhöhtem Risiko von genetischen Schäden des Nachwuchses keine vergleichbaren Verbote gibt. Zudem sei es unlogisch, mit eugenischen Begründungen den geschützten Geschlechtsverkehr zu verbieten.

 

-   der Schutz der Familie sich ebenfalls nicht als Argument eignet, da die Geschwisterbeziehungen im Regelfall erst im Erwachsenenalter entstehen und die Geschwister eben nicht als  Kernfamilie zusammenleben. Oftmals betreffen Inzestbeziehungen zwischen Geschwistern Halbgeschwister, die sich erst im Erwachsenenalter kennenlernten.

 

- ein Schutz der Selbstbestimmung nicht dadurch erreicht werden kann, dass erwachsenen Menschen die Selbstbestimmung genommen werden

 

- sexueller Missbrauch, Vergewaltigung und Ausnutzung von Notlagen nichts mit dem Verbot des Inzestes zwischen entscheidungsfähigen erwachsenen Geschwistern zu hat.

 

Das Inzestverbot beruht letztlich auf keiner rationalen Begründung, sondern auf traditionellen, ursprünglich religiös motivierten Wertsetzungen, an denen nunmehr ohne Bezug zur Religion ohne nachvollziehbare Argumente festgehalten wird. Das Inzestverbot steht für eine Gesellschaft, die dem Einzelnen die freie Bestimmung über seinen Körper, seine Sexualität und seine Beziehungsgestaltung nimmt. Das Inzestverbot ist damit gleichzeitig Ausdruck der Opposition gegen eine freiheitlich pansexuelle Gesellschaft, in der entscheidungsfähige Menschen  abseits von Gewalt, Nötigung, Vergewaltigung oder dem Ausnutzen von Zwangslagen über ihre eigene Sexualität und die Wahl ihrer partnerschaftlichen Beziehungen entscheiden.

 

Gegenwärtig ist die politische Basis nicht vorhanden, um  eine rasche Umsetzung der Empfehlungen des Ethikrats zu erreichen. Wenn aber der Abbau von unreflektierten Vorurteilen und Ausgrenzungen in der Gesellschaft weiter voranschreiten soll, wird eines Tages auch das Verbot der Liebe zwischen erwachsenen, gleichberechtigten und vollauf entscheidungsfähigen Geschwistern fallen. Je eher dies geschieht, umso besser ist dies für die Betroffenen wie auch für die Gesellschaft im Allgemeinen, die dadurch an Freiheitsraum gewinnt. 

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