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So stehen die Parteien in der BRD zur pansexuellen Gesellschaft
CDU/CSU exponieren sich als Bewahrer einer binären Geschlechterordnung, während sich Bündnis90/ Die Grünen, SPD, FDP und die Linke einer pansexuellen Konzeption annähern.
Position von CDU/CSU
In ihrem Grundsatzprogramm von 2007 betont die CDU, dass Familien immer wichtiger würden. Das Fundament unserer Gesellschaft sei die Familie. Familie sei überall dort, wo Eltern für Kinder und Kinder für Eltern dauerhaft Verantwortung trügen. Die beste und verlässlichste Grundlage für das Gelingen von Familie sei die Ehe. Die Ehe sei dabei das Leitbild der Gemeinschaft von Mann und Frau. Die Entscheidung für Ehe, Kinder und Familie sei eine persönliche Entscheidung, die die CDU unterstütze. Staat und Gesellschaft dürften aber den Menschen nicht vorschreiben, wie sie zu leben haben. Die CDU respektiere die Entscheidung von Menschen, die in anderen Formen der Partnerschaft ihren Lebensentwurf verwirklichten. Es werde anerkannt, dass auch in solchen Beziehungen Werte gelebt würden, die grundlegend für unsere Gesellschaft sind. Dies gelte nicht nur für nicht-eheliche Partnerschaften zwischen Frauen und Männern. Dies gelte auch für gleichgeschlechtliche Partnerschaften. Die CDU werbe für Toleranz und wende sich gegen jede Form von Diskriminierung. Eine Gleichstellung mit der Ehe zwischen Mann und Frau als Kern der Familie lehne die CDU jedoch ab ebenso wie ein Adoptionsrecht für gleichgeschlechtliche Paare.
Die entsprechenden Passagen im CDU-Grundsatzprogramm lauten wörtlich:
Die Ehe ist unser Leitbild der Gemeinschaft von Mann und Frau. Sie ist die beste und verlässlichste Grundlage für das Gelingen von Familie. In der Ehe kommt die gemeinsame Verantwortung von Vätern und Müttern für ihre Kinder verbindlich zum Ausdruck. Auch in Ehen, die ohne Kinder bleiben, übernehmen Männer und Frauen dauerhaft füreinander Verantwortung. Deshalb steht die Ehe unter dem besonderen Schutz unseres Grundgesetzes. Ehe und Familie sind das zuverlässigste soziale Netz, wenn Menschen Menschen brauchen. ... Die Entscheidung für Ehe, Kinder und Familie ist eine persönliche Entscheidung, die wir unterstützen: Staat und Gesellschaft dürfen aber den Menschen nicht vorschreiben, wie sie zu leben haben. ...
In der Familie lernen Menschen soziale Tugenden, wechselseitige Verpflichtungen, Vertrauen und Verantwortung. Hier erfahren sie das Miteinander der Generationen. Hier werden Menschen angenommen unabhängig von Leistung und Versagen. Familien brauchen ein Klima, in dem sie sich entfalten können. Die Familienwerte, wie wir sie kennen, sind elementar für die Entwicklung des Einzelnen, aber auch für den sozialen Zusammenhalt. ...
Wir respektieren die Entscheidung von Menschen, die in anderen Formen der Partnerschaft ihren Lebensentwurf verwirklichen. Wir erkennen an, dass auch in solchen Beziehungen Werte gelebt werden, die grundlegend für unsere Gesellschaft sind. Dies gilt nicht nur für nicht-eheliche Partnerschaften zwischen Frauen und Männern. Dies gilt auch für gleichgeschlechtliche Partnerschaften. Wir werben für Toleranz und wenden uns gegen jede Form von Diskriminierung. Eine Gleichstellung mit der Ehe zwischen Mann und Frau als Kern der Familie lehnen wir jedoch ebenso ab wie ein Adoptionsrecht für gleichgeschlechtliche Paare."
Soweit es Fragestellungen betrifft, die für eine mögliche pansexuelle Ausrichtung der Gesellschaft relevant sind, ist das Grundsatzprogramm der CSU aus dem Jahr 2007 nahezu deckungsgleich mit den Postkuaten der CDU. Hier heißt es:
"Die Menschen wünschen sich für ihren Lebensweg eine bereichernde Partnerschaft, die auch in schweren Tagen
trägt. Die Partnerschaft der Eltern ist die tragende Säule der Familie. Ihre Qualität hat großen Einfluss auf die Eltern-
Kind-Beziehung. Als Versprechen lebenslanger Verantwortungsgemeinschaft von Mann und Frau entspricht die Ehe
diesem Ideal in besonderer Weise. Die Ehe ist ein Wert für zwei Menschen, die auf Dauer füreinander einstehen wollen. Dieses Füreinandereinstehen ist Grundlage jeder sozialen Gesellschaft. ...
Die CSU steht uneingeschränkt zum besonderen Schutz des Staates für Ehe und Familie. ... Unser Staat schützt und unterstützt Ehe und Familie, weil er um ihren hohen Wert weiß. ...Für die CSU haben Ehe und Familie besonderen Rang, der auch in einem besonderen rechtlichen Status zum Ausdruck kommt. Die CSU lehnt die rechtliche Gleichstellung von gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften mit der Ehe und ein entsprechendes Adoptionsrecht ab. Die CSU anerkennt, wenn in diesen Partnerschaften Menschen füreinander einstehen und verlässlich Verantwortung und Sorge füreinander übernehmen".
Mit ihren Grundsatzprogrammen wenden sich CDU und CSU gegen die Postulate einer pansexuellen Gesellschaft:
Zwar ist für die CDU Familie überall, wo Kinder und Eltern Verantwortung füreinander übernehmen, aber CDU und CSU möchten eben dies gleichgeschlechtlichen Paaren verwehren, indem ein Adoptionsrecht ausgeschlossen wird. Die Partnerschaften von gleichgeschlechtlichen Paaren seien anzuerkennen, aber die Ehe soll ihnen nach Willen der CDU und CSU verwehrt bleiben. Die Ehe wird ausschließlich als Leitbild von Mann und Frau oder als lebendige Verantwortungsgemeinschaft von Mann und Frau gesehen, gleichzeitig aber auch als verlässlichste Basis von Familie bzw. Idealbild, wobei Familie für die CDU wie für die CSU eine wesentliche Grundlage der Gesellschaft darstellt. Damit aber gliedern CDU und CSU Menschen, die keine heterosexuell liebenden Paare darstellen, aus der selbst definierten Grundlage dieser Gesellschaft aus, wollen ihnen insofern das verwehren, was nach eigener Einschätzung zum Kern gesellschaftlichen Lebens wie auch des individuellen Glücks gehört. Dies betrifft nicht nur homosexuelle Männer und Frauen, es betrifft ebenfalls intersexuelle Menschen und bisexuelle Beziehungsformen, die dem Leitbild der durch die CDU und CSU für sakrosankt erklärten heterosexuellen Familie von Mann, Frau und Kindern nicht entsprechen. Die formulierte Anerkennung für gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften verbleibt auf dem Niveau einer Duldung bzw. ist rein verbal, da sowohl die besonderen Rechte der Ehe als auch ein Adoptionsrecht für homosexuelle Menschen ausgeschlossen wird. Die Position der CDU und CSU steht für eine Beibehaltung der tradiierten binären Geschlechter-Ordnung mit einer weitgehenden Einschränkung mit wesentlichen Rechten ausgestatteter Partnerschaften auf die Verbindung von Mann und Frau. Diese geteilte Position von CDU und CSU widerspricht dem Streben einer pansexuellen Gesellschaft nach der Gleichberechtigung aller Menschen und Beziehungsformen.
Position der FDP
Die FDP ist befindet sich derzeit im Prozess der Programmdebatte, wobei ein Entwurf für ein neues Programm unter dem Titel "Freiheitsthesen bereits vorliegt. Die FDP plädiert in ihrem Programmentwurf für eine Stärkung von Verantwortungsgemeinschaften und erkennt dabei ausdrücklich die Vielfältigkeit möglicher Lebensgemeinschaften an. Die Heirat soll allen Paaren offenstehen und es sollen keine Unterschiede in Rechten und Pflichten gemacht werden zwischen Ehegatten und gleichgeschlechtlichen Lebenspartnern. Die FDP möchte aber nach ihrem neuen Programmentwurf auch weitere gemeinschaftliche Lebensformen staatlich anerkennen und mit der Ehe vergleichbaren Rechten und Pflichten ausstatten, wobei sie die Einrichtung eines Rechtsinstitut "Verantwortungsgemeinschaft" vorschlägt, welches auch Menschen ohne verwandtschaftliche oder geschlechtliche Bindung offen stehe, z.B. um gemeinschaftlich im Alter unabhängig von Pflegeeinrichtungen leben zu können.
Wörtlich lauten die für eine pansexuelle Orientierung der Gesellschaft relevanten entscheidenden Passagen im Programmentwurf:
"Die Vielfalt der Lebensentwürfe zeigt sich auch in der Vielfalt der Lebensgemeinschaften. Fundament unserer Gesellschaft ist die Übernahme dauerhafter Verantwortung füreinander. Aber wir schreiben den Menschen die Form ihres Zusammenlebens nicht vor. Welchen Platz sie in der Gesellschaft anstreben, welche persönlichen Bindungen sie eingehen und welche sie wieder lösen, bleibt nur den einzelnen Menschen überlassen.
Die wichtigste und grundlegende Lebensgemeinschaft ist die Familie als generationenübergreifende Verantwortungsgemeinschaft. Die Familie ist Quelle von Anerkennung und Solidarität über Generationen hinweg. Unser Bild von Ehe, Familie und anderen Verantwortungsgemeinschaften bleibt aber offen. Alle Paare sollen die Ehe eingehen können. Bei Rechten und Pflich ten machen wir keine Unterschiede zwischen gleichgeschlechtlichen Lebenspartnern und Ehegatten. Die Entscheidung über die konkrete Ausgestaltung der eigenen Lebensgemeinschaft ist Privatsache.
Auch Menschen ohne verwandtschaftliche oder geschlechtliche Beziehung zueinander bilden Gemeinschaften, die auf Dauer angelegt sind, um sich beispielsweise die Unabhängigkeit von Alten- und Pflegeheimen zu bewahren oder um das Leben gemeinsam zu meistern. In all diesen Formen nehmen Menschen aus freier Entscheidung Verantwortung füreinander wahr und bilden somit Verantwortungsgemeinschaften.
Deshalb plädieren wir dafür, ein Rechtsinstitut „Verantwortungsgemeinschaft“ einzurichten, das mit Rechten und Pflichten der Ehe ausgestattet ist. Dagegen sollen Rechte und Pflichten von Ehegatten nicht ungefragt auf nichteheliche Lebensgemeinschaften übertragen werden, ein freies Zusammenleben muss möglich sein."
Die im derzeitig vorliegenden Programmentwurf der FDP enthaltenen Forderungen und Vorschläge gehen fraglos einen weiten Schritt in Richtung einer pansexuellen Gesellschaft, in der alle partnerschaftlichen Bezüge anerkannt und - nach eigener Wahl - mit vergleichbaren Rechten und Pflichten ausgestattet werden. Die Formulierung, dass alle Paare die Ehe eingehen sollen können, schließt heterosexuelle und homosexuelle Paare ein. Mit dem Vorschlag eines Rechtsinstitut "Verantwortungsgemeinschaft" geht die FDP aber noch weiter, indem sie damit auch Bezüge eines solidarischen Zusammenlebens von Menschen außerhalb von traditionellen Paarbeziehungen ermöglichen möchte.
Auch wenn die Möglichkeit auch partnerschaftlich-sexueller Beziehungen zwischen mehr als zwei Personen, beispielsweise im Rahmen bisexueller Modelle der Beziehungsgestaltung, nicht erörtert wird, wäre mit der Einführung einer Verantwortungsgemeinschaft für mehr als zwei Personen eine weitreichende Ausdehnung der traditionellen Ehe- und Partnerschaftskonzeption gegeben, die implizit unmittelbar und vermutlich später auch explizit auch partnerschaftliche Bezieungen zwischen mehr als zwei Personen umfassen würde. Es fehlt allerdings eine Auseinandersetzung mit der Intersexualität, speziell mit der Fragestellung der Einführung eines dritten Geschlechts in das Personanstandsregister.
Die im Programmentwurf der FDP zutage tretenden Positionen stellen eine in weiten Teilen erkennbare Verwirklichung einer pansexuellen Gesellschaftsstruktur dar, was aus pansexueller Perspektive als ein wesentlicher Fortschritt in der programmatischen Entwicklung der FDP zu werten ist. Allerdings steht dieser positiven neuerlichen programmatischen Fortentwicklung das langjährige and anhaltende politische Handeln der FDP in Regierungsverantwortung gegenüber. In der Regierungsverantwortung hat sich die FDP nicht für grundlegende Verbesserungen der rechtlichen Situation nicht heterosexueller Partnerschaften eingesetzt, sondern sich den diesbezüglich ablehnenden Positionen von CDU und CSU nahezu ohne Widerspruch untergeordnet. Ebenfalls scheiterten mehrfache Initiativen zur Verbesserung der rechtlichen Situation gleichgeschlechtlicher Partnerschaften u.a. auch am Widerstand der FDP, die sich im Bundestag sowohl gegen eine Gleichstellung der eingetragenen Partnerschaft mit der Ehe (siehe hier, hier und hier) als auch gegen eine Öffnung der Ehe für Homosexuelle aussprach (siehe hier). Bisher ist insofern die nun zutage tretende Weiterentwicklung rein verbal geblieben, hat im politischen Handeln der FDP keine Konsequenzen gefunden. In ihrem politischen Handeln weist die FDP der Fragestellung der Gleichberechtigung nicht traditioneller heterosexueller gemeinschaftlicher Lebensweisen momentan keinerlei Priorität zu. Vielmehr priorisiert die FDP Klientelpolitik für ihre wohlhabende Wählerschaft und Spender, insbesondere Steuererleichterungen, während sie die Thematik dees Einsatzes für die Rechte nicht traditioneller Lebensweisen zurückstellt. Inwiefern sich dies mit dem neuen Programm verändern wird, bleibt abzuwarten.
Position der SPD
Im gültigen Hamburger Grundsatzprogramm der SPD von 2007 heißt es:
" Unser Leitbild ist die Familie, in der Mutter und Vater gleichermaßen für Unterhalt und Fürsorge verantwortlich sind. Dies will die große Mehrheit der jungen Menschen. Es entspricht dem Bedürfnis der Kinder nach Mutter und Vater und es sichert die wirtschaftliche Unabhängigkeit der Familie.
In der Familie können Menschen Liebe, Geborgenheit und Halt, Orientierung und gegenseitige Unterstützung erfahren, Sicherheit verspüren und Verantwortung füreinander lernen. Wir orientieren unser Familienbild an der gesellschaftlichen Wirklichkeit. Wir wollen den Menschen kein Lebensmodell vorschreiben. Die meisten Menschen wünschen sich die Ehe, wir schützen sie. Gleichzeitig unterstützen wir andere gemeinsame Lebenswege, nichteheliche Lebensgemeinschaften, gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften, alleinerziehende Eltern."
Indirekt bezieht die SPD mit diesen Formulierungen die Ehe ähnlich - insofern ähnlich zu CDU und CSU - auf die Verbindung von Mann und Frau bezogen. Unter den anderen Wegen, die unterstützt werden sollen, werden nichteheliche Lebensgemeinschaften, gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften und alleinerziehende Eltern verstanden. Währen die SPD davon ausgeht, dass die meisten Menschen die Ehe wünschen, fordert sie in ihrem Grundsatzprogramm nicht, auch homosexuellen Paaren das Eherecht zuzugestehen. Ebensowenig wird ein Adotionsrecht für gleichgeschlechtliche Partnerschaften erörtert. Die Situation Intersexueller findet keine Beachtung.
In ihrem Grundsatzprogramm vertritt die SPD noch eine letztlich andere Lebenspartnerschaften als die traditionelle Verbindung von Mann und Frau diskriminierende Auffassung. Während die Einführung der eingetragenen Lebenspartnerschaft für gleichgeschlechtliche Paare sicherlich ein für die damalige Zeit bedeutsamer Fortschritt war, hat sich die SPD in der Folgezeit entsprechend auch dort, wo sie in politischer Regierungs-Verantwortung stand, nur höchstens eingeschränkt für die Gleichberechtigung gleichgeschlechtlicher Lebensweisen eingesetzt, was insbesondere im Rahmen der großen Koalittion mit der CDU/CSU deutlich wurde, wo die SPD andere Prioritäten setzte.
Seit Kurzem hat die SPD ihre ursprünglich nach wie vor diskriminierende Haltung gegenüber nicht traditionellen Lebenspartnerschaften in signifikanten Teilen überwunden und fordert nunmehr insbesondere die völlige Gleichberechtigung heterosexueller und gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaften, einschließlich einer Öffnung der Ehe. Nach wie vor vernachlässigt werden von der SPD allerdings die besonderen Interessen Intersexueller, die einer dritten Kategorie im Personenstandsregister bedürfen, wie auch die Möglichkeiten und der rechtliche Schutz partnerschaftlicher und nicht-partnerschaftlicher Lebensgemeinschaften mit mehr als zwei Personen.
Insgesamt ist fetzustellen, dass sich die SPD mittlerweile - ähnlich wie die FDP - auf dem Weg der Anerkennung einer pansexuellen Gesellschaftsstruktur befindet. Über ihr noch gültiges Grundsatzproramm hat sie sich bereits deutlich hinaus entwickelt. Während die FDP mit ihrem Entwurf zum neuen Grundsatzprogramm theoretisch mit der Anerkennung von Verantwortungsgemeinschaften sogar einen Schritt weiter geht als derzeit die SPD, hat sie in der Vergangenheit auf der Ebene praktischer politischer Entscheidungen jedoch noch stärker in der Regierungsverantwortung versagt als die SPD, die immerhin damals gemeinsam mit Bündnis90/Grünen gleichgeschlechtlichen Paaren erstmals wenigstens begrenzte Rechte gab.
Positionen von Bündnis90/Die Grünen
In ihrem Grundsatzprogramm von 2002 "Die Zukunft ist grün" setzen sich Bündnis90/DieGrünen ausführlich mit der zu überwindenden Diskriminierung von Frauen und die Herstellung einer Geschlechtergerechtigkeit wie auch günstiger Lebens- und Entwicklungsbedingungen für Kinder ein. Die hier vertretenen Positionen sind für eine progressiv-pansexuell orientierte Gesellschaft notwendig und selbstverständlich. Erstaunlicherweise nimmt das Grundsatzprogramm jedoch nahezu keinen Bezug auf Lebenswirklichkeit und Rechte gleichgeschlechtlicher Paare und ignoriert ebenso eine Auseinandersetzung mit den Thematiken Intersexualität und möglichen Lebensgemeinschaften von mehr als zwei Personen. Forderung nach Gleichberechtigung oder Öffnung der Ehe werden nicht erhoben.
Der diesbezüglich im Grundsatzprogramm einzig relevante Abschnitt lautet:
"Wir wollen eine moderne Gesellschaftspolitik, die Grundlagen für zukünftige Generationen gestaltet, unabhängig von Nationalität, von kultureller oder religiöser Herkunft oder der Familienstruktur. Egal ob in klassischen Ehen, in unverheirateter Partnerschaft, Ein-Eltern- oder Patchwork-Familien, wiederverheirateten oder gleichgeschlechtlichen Paaren lebend, auf die Kinder kommt es an."
Die im Grundsatzprogramm nicht stattfindende Auseinandersetzung mit pansexuell relevanten Thematiken haben Bündnis90/DieGrünen allerdings in ihren sonstigen politischen Positionierungen nicht gezeigt, sondern stehen vielmehr für die Gleichberechtigung homosexueller Partnerschaften ein, haben damals auch maßgeblich die Möglichkeit zu einer registrierten Lebenspartnerschaft für homosexuelle Paare durchgesetzt, die trotz aller Defizite einen maßgeblichen Erfolg darstellte, plädieren mittlerweile für die völlige Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare und wenden sich ebenfalls gegen als Genitalverstümmelung anzusehende Operationen im Kindessalter an Intersexuellen (siehe hier). Im Hinblick auf die pansexuelle Konzeption fehlt lediglich die Forderung nach rechtlicher Gleichstellung auch nicht auf einer traditionellen Zweiferbeziehung beruhender Partnerschaften und Lebensgemeinschaften. Im wesentlichen können die Positionen von Bündnis90/DieGrünen - trotz des defizitären älteren Grundsatzprogrammes und der noch zu entwickelnden Position gegenüber Partnerschaften mit mehr als zwei Personen - als Ausdruck einer Bejahung einer pansexuellen Gesellschaft betrachtet werden.
Positionen von Die Linke
Im Abschnitt "Sexuelle Vielfalt und Selbstbestimmung" ihres Erfurter Parteiprogrammes von 2011 vertritt die Linke eine konsequent emanzipatorisch-pansexuelle Position, die sich entschieden gegen jede Form der geschlechtsbezogenen oder sexuellen DIskriminierung wendet. Explizit wird auch die Situation intersexueller Menschen thematisiert und eine Ergänzung des Personenstandsregisters wird gefordert, wie auch ein Ende von Genitalverstümmelungen durch Operationen im Kindesalter zur Entfernung intersexueller Merkmale. Ebenso eindeutig spricht sich das Programm für die völlige Gleichberechtigung transsexueller und homosexueller Menschen aus. Die vollständige Gleichstellung in allen Rechtsinsitutionen und damit auch der Ehe wird gefordert.
Die Formulierungen heißen wortwörtlich:
"DIE LINKE steht insofern für eine emanzipatorische Politik, die die unterschiedlichen Lebensweisen berücksichtigt und unterstützt. Heterosexualität und die Vorstellung, dass es ausschließlich zwei Geschlechter gibt, gilt stillschweigend als Maßstab politischer und gesellschaftlicher Norm. Diese Norm grenzt aus. DIE LINKE unterstützt das Recht auf sexuelle und geschlechtliche Vielfalt in der Gesellschaft. Dazu gehört die gesellschaftliche Gleichstellung und Akzeptanz der Grundrechte von Lesben, Schwulen, Transsexuellen, Transgendern und Intersexuellen. Das Personenstandsrecht muss den Menschenrechten insbesondere von Intersexuellen und Transsexuellen gerecht werden. Geschlechtsangleichende Operationen im Kindesalter sind zu unterbinden. Wir fordern die rechtliche Gleichstellung in allen Rechtsbereichen und bei allen Rechtsinstituten."
Diese Positionierung in ihrem Programm hat die Linke ebenfalls in den Bundestag eingebracht und dort beispielsweise die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare gefordert. Im wesentlichen entsprechen die Positionen der Linken der Position von Bündnis90/DieGrünen, denen sich nunmehr auch FDP und SPD zunehmend angenähert haben, die FDP sogar mit dem Aspekt der Verantwortungsgemeinschaften in Teilen über sie hinausgehend. Die Linke hat allerdings in ihrem Grundsatzprogramm ihre Unterstützung für die verschiedenen geschlechts-, sexualitäts- und partnerschaftsbezogenen Lebensformen deutlicher gemacht als dies bei anderen Parteien bisher der Fall ist, was teilweise jedoch auch an der größeren Aktualität des 2011 verabschiedeten Programmes liegen mag.
Gesamtbewertung
Abgesehen von CDU/CSU, die mit minimalen Korrekturen an dem traditionellem Modell der allein auf Heterosexualität beruhenden Ehe festhalten und sich entsprechend gegen die Gleichberechtigung andere geschlechts-, sexualitäts- und partnerschaftsbezogenen Lebensformen aussprechen, spiegelt sich in allen anderen Parteien eine wachsende Akzeptanz bzw. positive Aufgreifung pansexueller Konzeptionen wieder. Trotz nach wie vor gegebener starker Umsetzungs-Defizite mit anhaltenden Diskriminierungen von Schwulen, Lesben, Transsexuellen, Intersexuellen ind Bisexuellen scheint die Entwicklungsrichtung klar auf eine zunehmend pansexuelle Gesellschaft zu verweisen. Eine gesellschaftliche Mehrheit liegt hierfür bereits vor, jedenfalls wenn es an den Positionen der im Bundestag vertretenen Parteien festgemacht wird.